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Eine Geopolitische Chance


Die arabische Welt im Fokus des Westens


Sehr geehrter Herr Blecha, in Ihrer Rolle als Präsident der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen verfolgen Sie seit vielen Jahren die Entwicklung dieser Region. Wie sehen Sie die aktuellen Ereignisse?

Zunächst war ich wie die meisten überrascht, dass es gerade jetzt zu so gewaltigen revolutionären Entwicklungen kommt und vor allem hat mich überrascht, dass es gerade in Tunesien begonnen hatte. Tunesien war das am stärksten EU-orientierte Land dieser Region und Frankreich, welches heute in Libyen bombt, hatte sogar noch angeboten, die Unruhen durch Militärhilfe zu deeskalieren.

Man muss beachten, dass die Situation in jedem Land der arabischen Welt sehr unterschiedlich ist und nur ein Thema für alle Länder zutrifft: ein enormes Bevölkerungswachstum, dem die Politik nicht entsprechend Rechnung getragen hat.

Die sozialen Spannungen aufgrund der Bevölkerungsexplosion der letzten Jahrzehnte basieren auch darauf, dass die wirtschaftliche Situation nicht zu dem neuen Bildungsniveau passt. 40% der Absolventen von Hochschulen und höheren Bildungseinrichtungen finden keinen ihrer Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz. Die modernen Informationstechnologien haben – zumindest virtuell -Zugang zu anderen Kulturen ermöglicht und haben diesen gut ausgebildeten Menschen gezeigt, dass es auch anders sein kann. Natürlich kommt es da zu einem Vergleich mit anderen Gesellschaften und der Sehnsucht nach Freiheit und der Möglichkeit der Mitgestaltung.

Sie haben die Unterschiede der Länder dieser Region erwähnt. Können Sie da einige Einblicke geben?

Geschichtlich und kulturell gibt es natürlich massive Unterschiede aber auch in der Situation der einheimischen Bevölkerung. In Ägypten ist die Armut sehr weit verbreitet und der Unterschied zwischen den wenigen Reichen und den sehr vielen Armen ist enorm.

Andere Machthaber dieser Region wie z.B. die Golfstaaten, Saudi Arabien, Katar achten darauf, die eigene Bevölkerung sozial stärker zu versorgen. Jedoch kommt nur die einheimische Bevölkerung in den Genuss dieser Leistungen. Die ausländischen Arbeitskräfte, ohne die vieles nicht möglich wäre, sind von dieser sozialen Fürsorge ausgenommen. Auch in Libyen gibt es exzellente medizinische Einrichtungen und soziale Dienste, aber eben nur für die Einheimischen. Das verhinderte natürlich nicht, dass der Wunsch nach Freiheit und Mitgestaltung der Gesellschaft immer heftiger wird. Das ist eben ein Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklung.

Auch die geschichtliche Entwicklung sowie die geopolitische Einbindung war und ist bei den Ländern dieser Region sehr unterschiedlich. Wie gesagt – Tunesien war stets europäisch orientiert, währenddessen andere Länder gute Kontakte mit den USA pflegten und entsprechend unterstützt wurden. Algerien hatte jahrelang Bürgerkrieg. Marokko hat einen König, der mit Demokratie experimentiert. Aber alle diese Staaten sind weit entfernt von unseren Vorstellungen von Demokratie und von einer modernen Zivilgesellschaft.

Erinnern wir uns zurück: auch wir mussten nach dem zweiten Weltkrieg Demokratie erst lernen. Unsere parlamentarische Demokratie ist hart erarbeitet, hat ihre Schwächen und muss stets aufs Neue im Alltag bestehen. Es gibt eine ständige Herausforderung der Lösungskompetenz einer Gesellschaft.

Welche Gefahren sehen Sie in der aktuellen Lage?

Ohne Frage herrschten in Nordafrika diktatorische Systeme. Nichtsdestotrotz waren die Machthaber der EU sehr dienlich bei der Zurückdrängung von Flüchtlingsströmen und bei der Unterdrückung fundamentalistischer Gruppierungen. Deshalb hat man diese Diktaturen akzeptiert.

Sollte es nicht gelingen, die demokratiefreundlichen und liberalen Entwicklungen zu stärken, werden die Fundamentalisten ihre Chance nutzen. Derzeit finden diese Kräfte keine Einflussmöglichkeit, weil sie mit demokratischen Strukturen, Toleranz und Liberalität nichts anfangen können. Wir haben daher die Pflicht, die aktuelle Entwicklung moderner Zivilgesellschaften zu fördern und zu stärken.

Was müsste aus Ihrer Sicht jetzt getan werden? Wie sollte sich die EU verhalten?

Ich halte nichts von militärischen Interventionen. Das größte Problem dieser Länder ist die junge Bevölkerung, die sich eine eigene Zukunft erarbeiten möchte. Daher plädiere ich für einen „Marshallplan des 21. Jahrhunderts“.

Eine positive wirtschaftliche Entwicklung dieser Region würde nicht nur die soziale Situation stabilisieren, sondern auch dazu führen, dass die arabischen Länder ein besonders wichtiger wirtschaftlicher Partner für die Zukunft sein werden. Es geht nicht nur um einen kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil, sondern es geht um klare Zeichen, welchen europäischen Werten wir verbunden sind.

Natürlich brauchen die Menschen Nordafrikas unsere Unterstützung. So wie wir nach dem Zweiten Weltkrieg so müssen die jungen Intellektuellen dieser Länder, Demokratie und deren Instrumente in der Anwendung lernen. Sie selbst müssen demokratische Strukturen in ihren Ländern aufbauen und gemäß ihren Werten gestalten können.

So wie Amerika von dem Marshallplan für uns im vergangenen Jahrhundert profitiert hat, bin ich überzeugt, dass wir von einem „Marshallplan des 21. Jahrhunderts“ für diese Region profitieren werden und gleichzeitig die Menschen dort beim wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbau effizient unterstützen können.

Wien, im März 2011


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